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Wicked Women Wednesday - Annaliese Teetz

 

Ahoi, liebe Leute!

Alle regelmäßigen Leserinnen und Leser unserer Wicked Women Wednesday Serie haben bestimmt schon bemerkt, dass bis jetzt erst eine einzige Landesgenossin zum Zug gekommen ist. Heute wollen wir das ändern, und haben für unsere Reihe eine Hamburgerin ausgewählt!

Wer wie wir, das Team hinter khamo, in Hamburg lebt, liebt und arbeitet, der weiß hoffentlich, dass Hamburg seit seiner Gründung eng mit der Seefahrerei verbunden ist. Klaus Störtebeker ist immer noch ein heimlich gefeierter Held, und der Hamburger Hafen ein Highlight, das man zumindest einmal gesehen haben sollte.

Was allerdings viele Leute nicht wissen, ist dass es zurzeit um die 1400 Kapitänen in Deutschland gibt, wovon aber nur 10 weiblich sind! Und dass bis in die 1950er Jahre Frauen per Gesetz das Arbeiten auf Schiffen untersagt war, außer als Stewardess, Krankenschwester oder Funkerin.

Kein Wunder also, dass Annaliese Teetz zuerst nicht als Frau anheuerte, sondern sich als Junge ausgab. Wie’s dann weiterging? Seht selbst…

 

 

Unnerröcke an Bord, dat gifft Malheur!

An Mumm kann es Annaliese Teetz wahrlich nicht gemangelt haben. Schon mit zwei kann die Blankeneserin schwimmen und hegt den Wunsch, zur See zu fahren.

Doch ihre Bewerbungen werden von allen Reedereien abgelehnt und so sieht sie sich gezwungen, sich mit vierzehn den Busen abzubinden und in Männerkleidern als Junge anzuheuern.

Damit kämpfte sie nicht nur gegen gängige Rollenvorstellungen und Vorurteile von Frauen in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, sondern widersetzt sich auch ihrem Vater, der sie für den Lehrberuf an Schulen vorgesehen hat.

Leicht kann es jedenfalls nicht gewesen sein, die Gefahr als Sexualobjekt zu enden ist groß.

Nach einiger Zeit gibt sie dem Drängen ihres Vaters nach, sie wird Geografie- und Sportlehrerin. Doch auch hier überschreitet sie mutig die Grenzen der Geschlechtertrennung und lässt die Mädchen im Turnunterricht boxen. Ein Skandal, war dies doch ein reiner Männersport! So wird ihr die Mädchenklasse entzogen. Auch der aufsteigende Nationalsozialismus, der das Bild der Hausfrau am Herd breittritt und Frauen langsam, aber sicher aus allen öffentlichen und politischen Ämtern drängt, macht es ihr schwer, ihren Traum vom Patent „Kapitän auf großer Fahrt“ zu verwirklichen. Trotzdem fährt sie immer wieder heimlich auf verschiedenen Dampfern mit, ihre Sehnsucht nach dem Wasser lässt sich nicht unterdrücken.

 

 

Endlich erste Kapitänin Deutschlands

Umso mehr erstaunt es, dass ausgerechnet Adolf Hitler ihr den Weg zum Meer ebnet. Auf seine Anweisungen hin erhält sie im Dezember 1943 das Steuermannspatent. Das macht sie zwar noch nicht zur Kapitänin, ist aber mehr, als andere von sich behaupten können. Zwei Tage später hat sie schon als Offizierin auf dem Dampfschiff „Eschenburg“ angeheuert. Dort lernt sie auch ihren Mann kennen, Ernst Teetz.

Zu Beginn der 50er Jahre besucht sie dann die Seefahrtschule und kann sich schließlich 1955 ihren Traum erfüllen. Als erster Frau wird ihr das Patent A6, „Kapitän auf großer Fahrt“ gewährt, und das vor dem Gleichstellungsgesetz von 1958.

Ein eigenes Schiff darf sie trotzdem nie kommandieren, das „Risiko“ ist ihren Arbeitgebern zu hoch. Sie bleibt aber lange erster Offizier bei der Friesecke-Reederei.

Doch obwohl ihr das Kommando verwehrt bleibt, oder gerade deshalb, kämpft sie darum, dass das Seemannsgesetz geändert und dass das Arbeitsschutzgesetz für Frauen nicht zu deren Nachteil ausgelegt wird. Die Ausreden, warum Frauen nicht auf Schiffen sein durften wurden nämlich immer fadenscheiniger, wie zum Beispiel, dass es ja keine getrennten Toiletten für sie gebe!

Außerdem erstreitet sie ihr Recht nach gleicher Bezahlung, denn schließlich arbeite sie ja wie ein Mann. Und sie gab sich nicht mit dem deutlich geringeren Lohn zufrieden, der Frauen zustand.

 

Als ihr Mann schwer krank wird, wendet sie der See den Rücken zu, um sich um ihn zu kümmern. Nach seinem Tod erleidet auch sie drei Schlaganfälle.

Doch sie gibt nicht auf!

Jeden Tag schwimmt sie über die Elbe, auch im Winter. Um wieder stark zu werden steht sie jeden Tag um halb sechs morgens auf, reibt sich im Winter mit Schnee ein, macht Klimmzüge am Reck im Garten bis ins hohe Alter. Mit 81 schafft sie noch drei!

Schließlich erinnert nur mehr ihre leicht verschwommene Sprache an ihre Krankheit.

 

 

Ein Kapitän geht immer mit seinem Schiff unter

Annaliese Teetz verstarb 1992. Sie ist auf der Elbe geblieben. Gerne unternimmt sie nämlich noch Ausflüge mit ihrem Boot, rudert so oft nach Schweinesand, einer gegenüber von Blankenese gelegenen Elbinsel, um mit dem Inselwart zu schnacken. Immer informiert sie ihre Freundin Anna, die ihr dann hilft ihr Boot zum Ufer der Elbe zu tragen. Diese ruft jedes Mal den Inselwart an, dass Annaliese kommt, und wartet auf ihre Rückkehr.

Es ist der 5. April 1992. Starker Wellengang lässt das Wasser der Elbe aufpeitschen. Kurz vor dem Ufer von Blankenese gerät sie in eine starke Strömung. Ihr Boot kentert. Anna ruft ihr noch zu durchzuhalten und dass sie Hilfe hole.

Ein ehemaliger Bootslotse, der Annaliese Teetz gut kannte, vermutet, dass sie sich zu einem nahen Anleger treiben lassen wollte. Sie hätte wohl zum Ufer schwimmen können, ihr Boot im Stich zu lassen kam aber nicht in Frage. Doch die Kälte setzt ihr so sehr zu, dass sie den Rettungsring nicht mehr greifen kann. Durch einen unerwarteten Stoß geht sie mitsamt ihrem Boot unter. Erst Monate später wird ihr Leichnam flussabwärts gefunden. Zwei Jahre später wird das Seemannsgesetz endlich geändert.

 

 

Wenn dieser Artikel eines beweist, dann ist es die Tatsache, dass die Blankeneser ein zähes Völkchen sind. Und eines hat diese Frau klar gemacht: Sie war nicht weniger wert, konnte genauso hart arbeiten wie ihre Kollegen und scheute die Entbehrungen der See nicht. Das war eine Frau, wie es sie ohne Zweifel jetzt zu Hauf in Hamburg, Deutschland und der ganzen Welt gibt. Lasst euch nicht unterkriegen, und lasst eure Träume nicht davonspülen. Haltet daran fest.

 

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Quellen:

 

Vgl. „250 Jahre Seefahrtausbildung in Hamburg, ISSUS“, Datum unbekannt, Autor unbekannt, S. 144-150

https://www.haw-hamburg.de/fileadmin/user_upload/VierzigJahreHAW/pdf/Hochschulpolitik/Gender/Lady_Captain.pdf

aufgerufen am 27.08.2019

 

Vgl. Originalartikel „Der Spiegel“, „Der unbändige Trieb“, 23.04.1949, Autor unbekannt

https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44436107.html

aufgerufen am 27.08.2019

 

Vgl. Macromedia Magazin für Kultur, Medien und Sport, „Die erste Kapitänin Deutschlands“, Datum unbekannt, Anja-Katharina Riesterer

https://macromedia-magazin.de/wasser/die-erste-kapitanin-deutschlands/

aufgerufen am 27.08.2019

 

Vgl. Hamburg schnackt! Das Herz unserer Stadt, „Annaliese Teetz – Deutschlands erste Kaptänin“, Datum unbekannt, Anja-Katharina Riesterer

https://hamburgschnackt.de/annaliese-teetz-deutschlands-erste-kapitaenin/

aufgerufen am 27.08.2019

 

Vgl. Hamburger Abendblatt, „Internationales Maritimes Museum: Alle Frauen an Bord“, 18.06.2015, Jens Meyer-Odewald

https://www.abendblatt.de/hamburg/hamburg-mitte/article205395023/Internationales-Maritimes-Museum-Alle-Frauen-an-Bord.html

aufgerufen am 27.08.2019

 

Vgl. Blankeneser Frauen – Lust auf Geschichte(n), „Lehrerin und Kapitänin, Anneliese Teetz“, 01.03.2013, Maike und Roland Holst

https://www.blankenese.de/files/blankenese/pdf/Foerderkreis_histor_blankenese/Fiha_13a_Charts_Layout_1.pdf

aufgerufen am 27.08.2019

 

Der Artikel wurde geschrieben von Julia Köttritsch, einer Kostümdesign Studentin der HAW Hamburg. Sie ist für den Blog von khamodesign zuständig und bringt euch sowohl in regelmäßigen Abständen starke Frauen im Wicked Women Wednesday näher, als dass sie auch über die Neuigkeiten von khamodesign berichtet.

 

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